Seehund (Phoca vitulina)

Einteilung

Seehunde sind Raubtiere (Carnivora) aus der Familie der Hundsrobben (Phocidae) und somit nah verwandt mit Kegelrobben und Ringelrobben.

Systematik

Ordnung
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Raubtiere (Carnivora)

Unterordnung
-

Robben (Pinnipedia)

Familie
-

Hundsrobben (Phocidae)

Art
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Seehund (Phoca vitulina)

 

Charakteristische Merkmale / Größe, Gewicht, Geschlechtsunterschiede und Alter

Weibliche Seehund können bis zu 160 cm groß und 100 kg schwer werden, während männliche Individuen bis zu 180 cm lang und 120 kg schwer werden können. Damit sind sie wesentlich kleiner als die nahe verwandten Kegelrobben. Ihr Kopf ist rundlich geformt und die Schnauze ist kurz. An dieser Schnauze befinden sich auch die Barthaare (Vibrissen) mit denen sie ihre Beute auch im trüben Wasser der Ostsee aufspüren können. Ihre Nasenlöcher sind V-förmig angeordnet. Dadurch können sie gut von der jungen und/oder weiblichen Kegelrobben unterschieden werden, die von Größe und Gestalt Seehunden sehr ähnlich sind. Seehunde männlichen Geschlechts können ca. 25 Jahre alt werden, Weibchen leben sogar bis zu 35 Jahren.

Verbreitung

Seehundpopulationen finden sich entlang vieler Küsten auf der Nordhalbkugel. Ihre Ruheplätze befinden sich an Sand- und Kieselstränden, an Felsenküsten, im Wattenmeer, aber auch auf dem Eis.

In der Ostsee sind zwei Populationen heimisch:

  1. In den dänischen Belt-Gebieten inklusive unserer deutschen Ostsee
  2. Im schwedischen Kalmarsund und angrenzenden Gebieten.

Seehunde sind sehr standorttreu, so dass auch kleinere Bestände an verschiedenen Liegeplätzen sich schon deutlich genetisch unterscheiden können.

Die Bestandszahlen der Seehunde haben sich durch intensive Bejagung und Schadstoffeintrag ins Meer stark verringert, bis in den 1970er Jahren nur noch ca. 2000 Ostsee-Tiere übrig waren1. Inzwischen finden sich an mehreren kleinen Liegeplätzen insgesamt immerhin wieder um die 8000 Individuen2.

Nahrung

Als Robbe ist der Seehund ein opportunistischer Jäger, der grundsätzlich alles frisst, was er findet. Darunter fallen meistens Kleinkrebse, Schnecken, Platt- und Schwarmfische, Muscheln und Tintenfische. Sogar aus den Netzen der Fischer stibitzen sich diese Tiere gelegentlich Fische, was einer der Gründe für ihre intensive Bejagung war. Der Seehund steht am Ende der Nahrungskette in seinem Habitat, wodurch sich Schadstoffe, die im Meer vorkommen und von kleineren Organismen aufgenommen werden, in seinem Körper sammeln. So nimmt der Seehund beständig Gifte über seine Nahrung auf, welche, vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jh., zu körperlichen Schäden (z.B. Immunkrankheiten und Unfruchtbarkeit) führten. Erst eine drastische Reduzierung der Schadstoffeinträge ließ eine Erholung der Bestände zu.

Fortpflanzung und Entwicklung

Die Paarungszeit der Seehunde liegt im Sommer, darauf folgen eine dreimonatige Keimruhe, bis das vorhergegangene Junge der Mutter entwöhnt ist, und 8 Monate Tragezeit, bis die Mutter ihr Junges auf einer Sandbank oder ähnlich flachem Küstengebiet zur Welt bringt. Das Jungtier ist aufgrund seines dichten Fells sofort schwimmfähig, da es im Gegensatz zu Neugeborenen der Kegelrobbe oder der Ringelrobbe bereits beim nächsten Hochwasser mit seiner Mutter schwimmen können muss. Dies hat den Vorteil, dass sich Seehunde nicht extra hochwassersichere Wurfplätze suchen müssen. Allerdings muss das Junge dann auch nach kurzer Zeit bereits kräftig genug sein um mit der Mutter bis zum nächsten Niedrigwasser zu schwimmen. Dabei hilft die sehr nahrhafte Milch, die es direkt nach der Geburt von der Mutter säugt. Mit Hilfe dieser Milch schafft es der junge Seehund innerhalb eines Monats sein Geburtsgewicht von ca. 10 kg zu verdoppeln!

Verhalten

Seehunde liegen gern in großen Gruppen in der Sonne. Doch teilweise reagieren sie schon auf 500 m entfernte Boote mit einer Flucht ins Wasser. So kann es leicht passieren, das Touristen, welche uninformiert Seehunde beobachten wollen, diese verscheuchen. Es ist allerdings auch bekannt, dass sich die Tiere je nach Standort auch noch aus einer Distanz von nur 50 m beobachten lassen.

Es sollte jedoch in jedem Fall ausreichend Platz gelassen werden, da Seehund-Mütter bei einer solchen Flucht mitunter auch ihre alleine nicht lebensfähigen Jungen zurück lassen.

Diese versuchen dann durch lautes Heulen ihre Mütter wieder zurückzuholen, weshalb man solche verlassenen Seehundjungen auch als „Heuler“ bezeichnet. Heuler sind ein natürliches Phänomen, oft ist die Mutter nur auf Nahrungssuche und kehrt zu ihrem Jungen zurück. Gesunde Heuler werden mitunter in Seehundstationen aufgepäppelt, bis sie wieder ausgewildert werden können.

Gefahren

Außer der bereits erwähnten Jagd und den Schadstoffeinträgen durch den Menschen, haben Seehunde als letztes Nahrungskettenglied keine weiteren Feinde in der Ostsee. Aus anderen Gebieten ist bekannt, dass sie durchaus von Haien oder größeren Meeressäugern (z.B. dem Orca) gejagt und gefressen werden.

Jedoch stecken sich die Seehunde, welche ein immer noch geschwächtes Immunsystem besitzen, leicht mit dem Phocine Distemper Virus (PDV) - dem Seehundstaupe Virus an. Dieser bewirkt eine weitere Schwächung des Immunsystems. Die betroffenen Tiere leiden dann an Folgeerkrankungen, welche durch Sekundärinfektionen ausgelöst werden. Meistens verläuft eine solche Infektion tödlich, wodurch bereits mehrmals die Seehundbestände stark dezimiert wurden.

 

 

 

Wussten Sie schon, dass Seehunde…

…vorbeigeschwommene Fische noch Minuten später, anhand der Wasserverwirbelungen wahrnehmen können?

…ihr Embryonalfell (Lanugo) teilweise bereits in der Gebärmutter abwerfen? *

...ein besonders dichtes Fell bestehend aus mehr als 50000 Haaren pro Quadratzentimeter haben?

 

*   (http://www.seehundstation-norddeich.de/2014/seehundstation/greta-veschlaeft-den-groessten-teil-des-tages/)

(Lanugo als Bestandteil des Darmpechs beim neugeborenen Seehund (Phoca vitulina L.); M. Stede; Zeitschrift für Jagdwissenschaft 1980, Volume 26, Issue 3, pp 159-161)

1 (HELCOM (2009): Biodiversity in the Baltic Sea - An integrated thematic assessment on biodiversity and nature conversation in the Baltic Sea, Baltic Sea Environment Proceedings No. 116B, Helsinki Commission.)

2 (Harder, K. (2011): Zum Vorkommen des Nordost-Atlantischen Seehundes in der Ostsee, Meer und Museum Band 23 „Wale und Robben in der Ostsee“)